Monat 3 ist angebrochen.

Alltag

Inzwischen hat sich, nachdem auch meine Gasteltern von ihrem Urlaub zurück sind, ein richtiger Alltag entwickelt. Da ich wie schon berichtet immer erst um halb eins zum Arbeiten anfange, nutze ich den Vormittag für Sport, zum Skypen, treffe mich ab und zu mit Einheimischen zum Tandem, einem Sprachaustausch bei dem jeder die Sprache vom jeweils anderen spricht und man so die Sprache lernt oder bereite Material für die Kinder im Projekt vor.

 

Ich habe eine Art Lehrplan entwickelt und mich in Büchern und im Internet informiert, was die Kinder hier zwischen dem 4. und 5. Lebensjahr lernen beziehungsweise können sollten. Leider sind die Arbeitsmaterialien, die uns zum Arbeiten mit den Kindern zur Verfügung stehen aus finanziellen Engpässen sehr begrenzt, ebenso die Auswahlmöglichkeit der Spiele (Puzzle, Memories, Kartenspiele, Puppenhaus), die zudem nicht vollständig beziehungsweise beschädigt sind. Daher suche ich gerade jeden Tag nach Spielideen, die die Konzentrationsfähigkeit, die Kreativität oder die Feinmotorik fördern und dazu leicht umzusetzen oder zu basteln sind.

 

Meist bin ich schon eine halbe Stunde vorher im Projekt, um den anstehenden Tag in Ruhe vorbereiten zu können, die Übungen für die Kinder auszudrucken, Spiele vorzubereiten und mich um die Kinder zu kümmern, die schon früher ins Projekt kommen.

Mein Zuhause

 

Nach etwas mehr als 2 Monaten kann ich sagen, dass Quito mein zu Hause geworden ist. Wenn ich die Möglichkeit habe, ein Panoramablick über die Stadt zu haben kann ich es allerdings immer noch nicht glauben, in dieser riesigen und bunten Stadt zu wohnen.

 

Für die Einheimischen bin ich allerdings immer noch – und vermutlich bis zum Ende meines Freiwilligendienstes – eine Fremde. Was mich inzwischen mehr als zu Beginn stört, sind die teilweise starren Blicke der Menschen, wenn sie mich sehen. Ich bin inzwischen hier angekommen und fühle mich hier zu Hause, doch mein Äußeres verrät deutlich, dass dies nicht stimmt. Obwohl ich jeden Tag denselben Arbeitsweg habe und sich zumindest die Leute, denen ich auf dem Weg begegne, sich an mich gewöhnt haben sollten werde ich immer noch angeschaut und muss mir blöde Sprüche auf sehr schlechtem Englisch anhören. Was mich dabei am meisten stört ist, dass ich so immer wieder daran erinnert werde anders zu sein und in diesen Momenten auf mein Äußeres reduziert zu werden. Für diese Menschen bin ich die reiche, weiße Touristin aus Europa. Die will ich nicht sein. Ich bin Mara, die sich für ein Jahr komplett auf die neue Kultur einlassen will, in einem Projekt mit afroecuadorianischen Kindern arbeitet und sich so gut wie möglich versucht zu integrieren. Hoffentlich sehen das die Einheimischen irgendwann…

 

Achterbahn der Gefühle

 

Mit meiner Familie unternehme ich inzwischen ab und zu etwas. Magu, eine meiner Gastschwestern, hat mich einmal zur Bailotherapia, einem öffentlichen Tanz-Workout, dass abends in fast jedem Park stattfindet, begleitet. Mit der ganzen Familie haben wir einmal einen Sonntagsausflug zur Laguna Quilotoa gemacht, einem wahnsinnigen schönen See etwa 4 Autostunden von Quito entfernt. Und obwohl wir durch eine Autopanne und der ungenauen Planung, die, wie sich herausstellt, typisch für Ecuador ist, länger im Auto als vor Ort waren, war es ein unglaublich schöner Tag und ich habe mich tatsächlich wie ein Familienmitglied gefühlt

Meinen Geburtstag am 12.10. habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Aus Erzählungen wusste ich, dass es hier Tradition ist, am Geburtstag mit dem Gesicht in die Geburtstagstorte gedrückt zu werden. Und auch weil Ecuador ein sehr feierbegeistertes Land ist, habe ich zumindest mit einer kleinen „Party“ mit meiner Familie gerechnet. Doch letztendlich war der Tag für mich wie jeder andere Arbeitsalltag auch. Und obwohl ich am Abend mit ein paar Freiwilligen feiern war, wäre ich doch lieber in Deutschland bei meinen engen Freunden gewesen um mit ihnen zu feiern. Am Folgetag haben wir mit der Familie zusammen Kuchen gegessen, was mir dann doch ein bisschen ein "Geburtstagsfeeling" gegeben hat.

 

Der Kontakt zu Einheimischen ist mittlerweile sehr viel besser geworden. Schon an mehreren Vormittagen oder Abenden habe ich mich mit verschiedenen jungen Ecuadorianern/ Ecuadorianerinnen zum Tandem – einen Sprachaustausch, bei dem jeweils die Sprache des anderen gesprochen wird- getroffen, die alle mal als Freiwillige für ein Jahr in Deutschland waren und so auch viel über Ecuador, gleichzeitig aber auch über ihre Erlebnisse in Deutschland erzählen konnten und wie sie Deutschland erlebt haben.

 

 

Vor etwa zwei Wochen hat meine Aulakollegin und gute Freundin nach einem projektinternen Konflikt gekündigt. Für uns alle war das ein Schock. Nicht nur, dass der Streit so weitreichende Konsequenzen mit sich gebracht hat, auch, weil wir schon vor der Kündigung zu wenige Mitarbeiterinnen waren, um allen Kindern die eigentlich benötigte Aufmerksamkeit zu schenken.

Der erste größere Ausflug ging nach Otavalo, um die Laguna Cuicocha zu umrunden. Gemeinsam mit einem alten Schulkameraden und drei anderen Freiwilligen haben wir uns mehr oder weniger spontan am Terminal in Quito getroffen und sind nach Otavalo, um am nächsten Tag zu der Wanderung aufzubrechen. Uns ging ganz schön stark die Pumpe, als wir auf zwischen 3000 und 3500 Metern Höhe den See umrundet haben (15km), aber für die Aussicht hat sich jeder einzelne Schritt gelohnt.

Der Höhepunkt war sicherlich der Besuch eines Cousins, der zur Zeit in Kolumbien studiert. Zwei Wochenenden lang haben wir gemeinsam Quito erkundet und sind auch auf den Rucu Pichincha (4750 Meter), den Hausberg Quitos gestiegen. Trotz Schneegraupel auf dem Gipfel, der uns die sicherlich atem(be)raubende Sicht auf die Stadt und auf das, was auch immer auf der anderen Seite sein wird, genommen hat, war es ein unglaublicher Tag, der uns auf unheimliche und eindrucksweise Art gezeigt hat, wie unberechenbar und wild die Natur sein kann und dass man nicht alles glauben sollte, was im Reiseführer steht 😊

Auch meine Kinder haben sich langsam an den Alltag im Projekt gewöhnt, arbeiten fleißig und freuen sich immer darauf, wenn ich mit ihnen nach den Hausaufgaben auf die Terrasse zum Spielen gehe, wir Basteln (wie zuletzt Puppen aus leeren Klopapierrollen) oder gemeinsam Puzzles lösen oder Memory spielen. Die Kinder freuen sich über jede Kleinigkeit und lassen sich so schnell begeistern, dass es einfach Spaß machen muss mit ihnen zu „arbeiten“. Ich habe die Vier – Dylan, Tiffany, Lesly und Belén – und auch alle anderen fest in mein Herz geschlossen und auch wenn mein Rückflug (21.08.2019) noch weit weit in der Zukunft liegt, fällt mir der Abschied jetzt schon schwer.

Um zum Schluss nochmal auf die Zukunft zu sprechen zu kommen…                                                    

Wie mir durch meine Chefin, aber auch über meine Organisation aus Deutschland mitgeteilt wurde steht momentan die Zukunft des Projekts auf dem Spiel. Das Projekt ist auf Spenden angewiesen, die den Kindern regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten ermöglichen. Zudem hilft es uns, Materialien zu kaufen die die schulischen Lernleistung und die sozialen Kompetenz fördern und in den jeden Freitag stattfindenden „actividades“ auf spielerische Art und Weise Werte zu vermittels und im generellen eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Nicht zuletzt werden die Spendengelder auch dazu genutzt, Ausflüge mit den Kindern realisieren zu können und ihnen auch etwas anderes als nur das Projekt zeigen zu können. Jetzt, da ich die Kinder schon gut kennengelernt habe, weiß ich, wie wichtig das Projekt für sie und für ihre Familien ist, um ihnen zumindest die Türe zu einer besseren Zukunft zu öffnen, was für sie ohne die Unterstützung des Projekts kaum zu schaffen ist. Der Großteil der Eltern kann ihren Kindern bei den Hausaufgaben aufgrund mangelnden Wissens nicht helfen und so sind wir dafür verantwortlich, dass die Kinder ihre Aufgaben ordentlich und pflichtbewusst erledigen und den für ihr Alter vorgesehenen Schulstoff beherrschen.

 

Mir würde es das Herz brechen erfahren zu müssen, dass ich die letzte Freiwillige im Centro La Bota sein werde und die Kinder (zwischen vier und zwölf Jahren) danach wieder komplett auf sich alleine angewiesen sind.

 

Daher sind wir von BeSo e.V. Freiburg auf der Suche nach Projektpaten, die uns dabei helfen, das Projekt auch nach diesem Schuljahr weiterführen zu können. Bei Fragen könnt ihr euch sehr gerne an mich oder BeSo wenden: mara.popp@arcor.de, sandra.schaetzle@hotmail.de, J.Beckert-Staufen@t-online.de, Tel.: 07633/82311

 

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Projektpate "Centro La Bota"
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