Adventszeit auf Ecuadorianisch

Wie ich schon in vorherigen Berichten erzählt habe geht da, wo ich wohne, nicht so viel ab. Doch obwohl ich darin -außer dem relativ kurzem Arbeitsweg- bisher nur Nachteile gesehen habe, habe ich inzwischen gemerkt, wie mich meine Wohnsituation auch selbstständiger werden lässt. Um einmal ins Zentrum zu kommen ist eine Planung wie für einen Tagesausflug nötig. Welchen Bus muss ich nehmen, wo muss ich aussteigen, muss ich eventuell auch umsteigen und wann fährt der letzte Bus zurück zu mir nach Hause, nehme ich Essen mit oder kaufe ich mir unterwegs etwas, habe ich meinen Regenschirm dabei oder muss ich noch Sonnencreme einstecken, … Und obwohl mindestens drei dieser Fragen immer ungeklärt bleiben kommt man am Ende immer an sein Ziel, wenn auch manchmal mit einer verbrannten Nase oder nassen Socken :)

 

 

Doch seit drei Wochen ist das alles ein bisschen anders. Nach drei Monaten in den Gastfamilien gibt uns BeSo die Wahl, ob wir noch länger (wenn wir wollen auch bis zum Ende des Freiwilligendienstes) dortbleiben wollen oder ob wir uns eine eigene Wohnung bzw. ein eigenes Zimmer suchen möchte. Durch die „Problematik“ der Wohnlage meiner Gastfamilie habe ich mich für letzteres entschieden. In 20 Gehminuten bin ich jetzt in der Altstadt, in 5 bzw. 10 Gehminuten in zwei verschiedenen Parks oder im „Casa de la Cultura“, ein Kulturhaus in dem verschiedenste Veranstaltungen stattfinden. Im Vergleich zu vorher fühle ich mich jetzt so, als wäre ich in eine komplett andere Stadt gezogen.  Konsequenz dieses Umzuges ist für mich allerdings ein Arbeitsweg von mindestens einer Stunde einfach, so dass ich pro Tag 2 Stunden im Bus verbringe.

 

Als eine Kollegin von meinem „Umzugswunsch“ mitbekommen hat, hat sie mir freundlicherweise bei der Suche geholfen, Telefonate geführt und Wohnungsbesichtigungen organisiert. So habe ich letztendlich 3 Wohnungen angesehen, 2 weitere Besichtigungstermine habe ich dann abgesagt, denn bei der dritten Wohnung war mir klar, dass ich dort einziehen möchte. Es ist ein Haus mit insgesamt 20 Zimmern (je mit eigenem Bad), von denen aktuell 17 bewohnt sind. Einige haben, gegen einen Aufpreis von 50$, eine eigene kleine Küche, jedoch gibt es auf der Dachterrasse auch eine Gemeinschaftsküche, weshalb ich mich für die „Sparversion“ entschieden habe.

 

Das Haus, vielmehr eine riesen-WG, in dem ich wohne, wird von etwa 18 jungen Erwachsenen aus aller Welt bewohnt, die meisten sind hier für ein Auslandssemester. Leider, nicht so wie ich gedacht habe, nutzen viele meiner „Mitbewohner“ die Küche kaum und wenn, essen sie in ihren Zimmern, so dass es noch schwierig ist, Leute kennenzulernen. Vor allem in den ersten Tagen hatte ich dadurch, dass ich keine Mitbewohner kennengelernt habe, Zweifel an dem Auszug aus der Gastfamilie. Doch nach nun drei Wochen hier im „Casa Oriente“ bin ich sehr froh, hier leben zu können! Mit denen, die ich hier bisher kennengelernt habe (2 Deutsche, 1 Ecuadorianer und 1 Spanierin) habe ich beschlossen, eine „WG“-Party zu schmeißen um endlich alle kennenzulernen. Denn die Vier geht es so wie mir und wir wollen so das „Aneinander-vorbei-Leben“ hier im Haus etwas minimieren. Und ich muss mir selber den Druck nehmen und dem ganzen hier Zeit geben, denn man kann auch nicht von heute auf morgen alle auf einmal kennenlernen.

 

Etwa zur selben Zeit, zu der ich Umgezogen bin, bin ich auch in meiner Arbeit „Umgezogen“. Bisher habe ich mit den Kleinsten gearbeitet, seit 2 Wochen bin ich bei den „Medianos“, den 7 bis 9-jährigen. Dort helfe ich einer Kollegin, die alleine mit 12 Kindern war, währenddessen meine alte Aulakollegin und ich mit 6 Kindern zusammen waren. Auch wenn die Kinder nur 2 Jahre älter sind, ist meine Aufgabe eine ganz andere. Jetzt geht es tatsächlich um richtige Hausaufgabenhilfe, die Kleinen hatten ja kaum etwas auf so dass ich selber sehr viel vorbereiten musste. Jetzt mache ich Diktate, übe das 10er 1x1 und motiviere so gut es geht, dass wir am Ende des Tages alle Hausaufgaben schaffen.

 

Leider geht es jetzt auch schon viel mehr um Gewalt. Die Kinder bekommen Gewalt entweder zu Hause oder spätestens auf den Straßen ihres Viertels (La Bota) mit und eignen sich eben dieses Verhalten auch an, so dass wir zu oft auch als Streitschlichter eingreifen müssen. Und es sind nicht nur Kneifereien, die Kinder schlagen sich manchmal auch rücksichtslos mit der flachen Hand ins Gesicht oder treten zu mehrt auf einen einzelnen ein. Das alles beginnt spielerisch und eigentlich auch harmlos, so wie Kinder eben manchmal miteinander umgehen, doch sobald einer zu fest oder an einer falschen Stelle getroffen wird, eskaliert das ganze und auch wir haben dann große Mühe, die Kinder auseinander zu bekommen. Auch wenn wir schon diese spielerischen Kämpfe unterbinden möchten, wir können nicht jede Minute ein Auge auf alle Kinder werfen. Wie auch, bei 30 Kinder, 4 Tutorinnen (in der Mittagspause) und 5 unterschiedlichen Orten, in denen sich die Kinder aufhalten, auch wenn sie alle auf der Terrasse sein sollten. Diese Problematik beschäftigt uns alle und obwohl man vieles versucht sieht man, wie schwer eine solche Verhaltensweise zu ändern ist. Auch die Gesellschaft im allgemeinen stellt kein Vorbild für die Kinder dar. Seien es Jugendliche, die sich auf ihrem Heimweg von der Schule (auch nur aus Spaß) herumschubsen oder zwei Kontrolleure im Bus, die sich von jetzt auf gleich gegenseitig ins Gesicht schlagen oder treten. Und keiner sagt etwas oder greift ein, es scheint für alle normal zu sein.

 

Und wie sieht der Winter am Äquator aus? Winter im Äquator, das heißt Schnee, Regen, Wind und Sonne. Und das allen an einem Tag! Das Haus verlasse ich inzwischen nicht mehr ohne Regenschirm oder meiner Regenjacke, denn spätestens nachmittags fängt es – mit wenigen Ausnahmen – an zu schütten, auch wenn man sich bis dahin an manchen Tagen schon einen dicken Sonnenbrand geholt hat. Nicht nur deshalb werde ich über Weihnachten und Silvester an die Küste fliehen :)

 

Vom 23. Dezember bis zum 01. Januar werde ich gemeinsam mit einem „alten“ Schulkameraden von Canoa über Puerto Lopez und Olón Richtung Montanita reisen (unbedingt die Orte googeln :) ) und zum ersten Mal Weihnachten am Strand, und vor allem ohne Familie feiern. Ein Erlebnis, auf dass ich sehr gespannt bin.

 

Vergangenes Wochenende waren die „Fiestas de Quito“, ein riesiges Spektakel und der Freitag natürlich ein Feiertag, so dass durch den freien Freitag (Feiertage werden immer auf Freitag oder Montag verlegt :) ) noch mehr Zeit zum feiern war. Doch begonnen haben die Feste schon etwa eineinhalb Wochen vorher. Konzerte und Fiestas in jedem Park und zu jeder Uhrzeit haben auch Werktage in ein Wochenende verwandelt. Chivas, das sind bunt beleuchtete Busse mit Musik beschallten Fahrgäste, fuhren schon vormittags durch die Straßen. Und es war egal ob Montag oder Freitag, die Straßen waren voll und an jeder Ecke gab es Canelaso zu kaufen, ein typisches Getränk zu dieser Jahreszeit und wie ich finde, der ecuadorianische Glühwein. Und auch ich habe ich mich mit zwei Mitbewohnern und zig Unbekannten in einen Chiva gewagt und würde es immer wieder machen. So, denke ich, muss es auf dem Kölner Karneval sein. Gleichzeitig ist hier schon seit Anfang November alles weihnachtlich geschmückt und ab und zu kommt man dann auch hier in Weihnachtsstimmung, wenn auch bei 20 Grad und Sonnenschein :)

 

Innerlich bin ich auch schon am Tanzen, denn in wenigen Tagen geht es los an den Strand und hoffentlich raus aus dem kalten Nass Quitos. Bis dahin ist es noch etwas stressig, Familie und Freunde möchten noch skypen, auf der Arbeit muss die Weihnachtfeier für uns Kolleginnen und die für die Kinder mit ihren Eltern vorbereitet werden und Einlagen geprobt werden, nebenbei sollten wir dann natürlich auch die Hausaufgaben der Kids nicht vergessen und ich muss meinen Urlaub vorbereiten…

Euch allen wünsche ich jetzt schon FELIZ NAVIDAD und einen guten Rutsch, wir hören uns 2019 wieder!

 

Ach ja, den letzten Bericht habe ich jetzt auch endlich mal mit Bildern ausgestattet. Also auch da gerne nochmal vorbeischauen :)