un año

Es ist vorbei. Meine Zeit in Ecuador ist vor fast zwei Monaten zu Ende gegangen. Ich bin wieder zurück in Deutschland. Wie fühlt es sich an? Komisch. Und schön. Aber momentan eher komisch.

 

 

Wenn mich Freunde fragen, ob ich lieber noch dortgeblieben wäre, sage ich ja. Vermutlich kein ganzes Jahr mehr, allerdings wären ein paar Monate mehr auf jeden Fall schön gewesen.

 

Denn obwohl ein Jahr sehr lange ist und man scheinbar unendlich viel Zeit hat, um sich nach dem Einleben richtig heimisch fühlen zu können, hätte ich doch noch Zeit gebraucht, um das Land und die Leute noch intensiver kennenlernen zu können. Die Bindung zu den Kindern war am Ende so eng, dass ich das Gefühl hatte, ihr volles Vertrauen zu haben. Ich hätte sie liebend gerne noch weiter auf ihrem Lebensweg begleitet. Doch die zeitliche Begrenzung war von Anfang an klar bestimmt, wodurch der Abschied am Ende dann doch nicht zu hart war, denn ich wusste immer, dass die Zeit in Ecuador zu Ende gehen muss und wird. Und dass ich eine ganz tolle Nachfolgerin namens Annika habe, die meine Rolle mit Sicherheit gut übernehmen wird. Und letztendlich war dieses Jahr das beste meines Lebens! Genau das gleiche wünsche ich jetzt Annika.

 

Rückblickend ist in den letzten 12 Monaten so unglaublich viel passiert, dass es unvorstellbar ist, wie schnell die Zeit doch vergangen ist. Aber auch in Deutschland ist die Zeit nicht stehengeblieben: Freunde sind umgezogen, neue Kontakte sind entstanden und alle sind ein Jahr älter und reifer geworden.

 

 

Es ist ein komisches Gefühl, wieder Teil des Alltags hier zu sein. Als wäre ich nie weg gewesen, was mich zum einen zwar sofort wieder hat wohlfühlen lassen, zum anderen aber auch das vergangene Jahr in den Hintergrund rücken lässt, wofür ich noch nicht bereit bin: ich möchte so viel erzählen, meine Erfahrungen austauschen und verstanden werden. Gerade letzteres ist oft noch nicht so einfach. Viele bemühen sich, Interesse zu zeigen. Und das freut mich unglaublich! Doch wo fange ich an zu erzählen, wenn mich jemand fragt: „Wie wars?“. Es fällt mir sehr schwer ein ganzes Jahr verständlich zusammen zu fassen. Ich möchte die Leute mit meinen Erzählungen auch nicht nerven, und trotzdem gibt es so viel zu berichten. Ich muss mir und den Anderen einfach Zeit lassen, das war in den ersten Wochen ziemlich schwer für mich. Doch ein ganzes Jahr lässt sich einfach nicht so schnell zusammenfassen.

 

 

Ein paar Dinge lassen sich aber gut beschreiben. Das sind die wichtigsten Dinge, die ich aus diesem Jahr mitnehmen konnte:

 

 

Zufrieden sein. Zufrieden sein mit dem, was ist. Mit sich selber. Nicht immer jeden und alles noch besser machen wollen. Noch schneller. Nicht immer auf die Fehler und Probleme achten. Nicht immer Makel suchen. Einfach mal das Beste aus der Situation machen. Ich weiß, dass ein gesundes kritisches Denken und nach-vorne-Schauen wichtig ist. Ich will auch nicht, dass wir alle nur noch in den Tag hineinleben, gemäß dem Motto: das wird schon. Aber manchmal tut es gut, im Hier und Jetzt zu leben und den Moment wahr zu nehmen, anstatt ständig den Blick auf die Zukunft zu richten.

 

 

Dankbar sein. Wir haben das Privileg, hier in Deutschland aufgewachsen zu sein und leben zu dürfen. Mit allem, was dazu gehört: ein funktionierendes Gesundheitssystem, das Schulsystem, Sozialhilfe, Rente. Und vor allem: Sicherheit. Insbesondere die Kinder im Projekt haben mir das gezeigt: Den kleinen Dingen Bedeutung schenken. In den letzten Wochen hat sich die Situation in Ecuaor auf Grund politischer Handlungen stark verändert. Ich bin in engem Kontakt mit Freunden und meinen Kolleginnen vor Ort. Und ich bin besorgt. Doch dieses Thema noch aufgreifen zu wollen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Auch aus den aktuellen Geschehnissen in Quito sieht man wieder, unter welchen Umständen wir hier in Deutschland leben können. Hier der aktuellste Bericht zur Situation in Ecuador: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/ecuardor-lenin-moreno-treibstoffsubventionen-proteste

 

 

Augen offenhalten. Mit offenen Augen durch die Welt gehen und seine Mitmenschen und Umgebung war nehmen. Rücksichtsvoll miteinander umgehen, helfen und zuhören.

 

Ich bin unglaublich dankbar, von meinen Freunden in Ecuador, von den Kindern und meinen Kolleginnen so viel gelernt zu haben.

 

 

Ich möchte auch noch kurz den Blick in die Zukunft richten:

 

Ich habe mich oft gefragt, wem der Freiwilligendienst eigentlich etwas bringt. Und ja, letztendlich ist es doch so, dass wir Freiwilligendienst von diesem Jahr viel mehr profitieren als unsere Einsatzstellen und die Personen, mit denen wir gearbeitet haben.

 

Doch genau deshalb müssen wir diese Chance, die wir bekommen haben, sinnvoll nutzen und auch zurück in Deutschland weitermachen. Wir durften Menschen und ihre Geschichten kennenlernen, wir hatten ein Jahr lang die Möglichkeit, in einer völlig anderen Welt zu leben und einen anderen Blickwinkel auf die Welt zu erfahren. Wir durften so viel lernen. Das Privileg, für ein Jahr diese großen Erfahrungen sammeln zu können - mit finanzieller Unterstützung, Versicherung und der Sicherheit, bei jedem Problemchen Hilfe zu bekommen. Ja, weltwärts-Freiwillige werden für ihre Einsätze in sogenannte „Entwicklungsländer“ geschickt. Doch was ist 2019 noch ein Entwicklungsland? Die wirtschaftlich schwachen? Oder vielleicht doch wir hier in Deutschland, die wir mit unserem jetzigen Verhalten eigentlich 3 Erden zum Leben bräuchten? (vgl.: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/255298/oekologischer-fussabdruck-und-biokapazitaet) In einem extrem spannenden Vortrag in unserem Rückkehrerseminar vor ein paar Wochen ging es genau um diese Frage. Und wie wir uns nach unserer Rückkehr noch weiterhin engagieren können, mit all den Eindrücken und Erfahrungen die wir gesammelt haben. Ich habe erfahren, dass es da so einiges gibt, was wir machen können. Und ich freue mich darauf.

 

 

Vielleicht habe ich mich genau deshalb für den Studiengang Geografie entschieden, welchen ich jetzt zum Wintersemester in Leipzig anfangen werde zu studieren. Ein neues Kapitel, auf das ich mich unglaublich freue: eine neue Stadt, neue Menschen und was auch immer sonst noch so kommen wird.

 

 

Danke an alle, die mich das vergangene Jahr lange begleitet haben!!!

 

 

Und wer weiß, vielleicht wird es in ferner Zukunft erneut Bericht von mir aus Ecuador geben, denn mein erster Aufenthalt dort war sicherlich nicht mein Letzter.

 

Ciao, eure Mara